LEIPZIG KLEINMESSE „SHOW DER SENSATIONEN“

Tragischer Unfall auf der Kleinmesse in Leipzig:
Motorradfahrer stirbt bei Stunt-Show

LEIPZIG, KLEINMESSE, STEILWAND-ARTISTIK, EINLADUNG ZUR SHOW, 29.09.2012

LEIPZIG, KLEINMESSE, STEILWAND-ARTISTIK, EINLADUNG ZUR SHOW, 29.09.2012

Motto der Steilwand-Artisten:
„Nur wer gefählich lebt hat wirklich gelebt“ (Nietzsche)

LEIPZIG, KLEINMESSE, STEILWAND-ARTISTIK, Indian Scout, Oldtimer-Motorrad, 29.09.2012

LEIPZIG, KLEINMESSE, STEILWAND-ARTISTIK, Indian Scout, Oldtimer-Motorrad, 29.09.2012

SOURCE: Meldung der Leipziger Volkszeitung – 06.10.2012
Schon mehrere Unfälle bei lebensgefährlichem Steilwand-Spektakel
Serif G. ist nicht das erste Todesopfer der Stuntmen-Show

Drei Tage nach dem tödlichen Unfall des Motorrad-Artisten Serif G. (52) sitzt der Schock tief. Und das nicht nur bei Kollegen, sondern auch bei mehr als 60 Besuchern der Show auf der Kleinmesse, die das Unglück live miterlebten. Nach LVZ-Informationen gab es allerdings schon mehrere Todesfälle in der Stuntmen-Truppe. Auch Serif G. erlitt in den vergangenen Jahren einige Male schwerste Verletzungen.
„Wir leben jeden Tag mit dem Risiko – und doch sind wir alle zutiefst geschockt, dass das passieren konnte“, sagte Charles Blume. Seit Jahrzehnten kannte der 39-Jährige seinen Fahrer Serif G., den alle nur „Gino“ nannten. In der Vergnügungsbetriebe GmbH aus der Nähe von Oldenburg, die Blumes Vater in den 1960er-Jahren gründete, war G. seit mehr als 25 Jahren als Steilwandfahrer aktiv, galt als Zuschauerliebling. „Gino war ein Routinier, der anderen Artisten das Steilwandfahren beibrachte“, erzählte Blume. Niemand könne sich bisher erklären, wie G. der „kapitale Fahrfehler“ unterlief, sagte der Schausteller. „Wahrscheinlich ist er zu nah an das Seil gekommen“, glaubt der Show-Chef. Zumindest seien am Motorrad, das fünf Meter neben dem Verunglückten lag, und dem Seil deutliche Kratzspuren gefunden worden.
Am Tag der Deutschen Einheit begann die Vorstellung um 15 Uhr. Mehr als 60 Besucher, vor allem Familien mit Kindern, wollten die „Show der Sensationen“ erleben, bei der Motorräder und sogar ein Auto an einer senkrechten Wand im Kreis fahren – nur durch Fliehkräfte in der Bahn gehalten. Sie sahen, wie Serif G. – er fuhr auf einer Indian Scout, einem rund 90 Jahre alten Oldtimer-Motorrad aus den USA – von der zehn Meter hohen Steilwand zu Boden stürzte. Trotz schwerster innerer Verletzungen sei er noch ansprechbar gewesen, so Blume, habe über Atemnot geklagt. Stunden später starb er in der Uni-Klinik.
Ein Zeuge verarbeitete das Geschehen am Abend des Unglückstages mit einem Eintrag ins Gästebuch des Schaustellervereins. Das Motorrad kam zu hoch und stieß oberhalb der Besucher-Abgrenzung an eine Haltelasche. Es gingen Schreie durch das Zelt, und der Motorradfahrer stürzte samt Motorrad in die Tiefe! Und blieb schwerverletzt am Boden liegen.“ In einem anderen Eintrag heißt es: „Leider waren auch wir mit dabei, als der Unfall mit dem Motorrad passierte. Einfach nur schrecklich.“
Anders als mehrere Zeugen des Unfalls hielt es Schausteller-Chef Blume für unwahrscheinlich, dass das Blitzlicht einer Kamera – Film- und Fotoaufnahmen sind in der Arena verboten – den Motorradfahrer geblendet haben könnte. Durch den Winkel zum Publikum sei das gar nicht möglich. Bereits 1998 kam ein Fahrer an der Steilwand ums Leben, berichtete Blume. Er habe aus Unachtsamkeit die Kontrolle verloren und sei von seiner Maschine geschleudert worden. Wie Serif G. war auch er ungeschützt, erklärte der Stuntmen-Chef. Bei der Fahrt wird das Vierfache des Körpergewichts auf das Motorrad gepresst. Einen Helm zu tragen, wäre gar nicht möglich.“
Nach LVZ-Informationen gab es bei der „Show der Sensationen“ in den vergangenen Jahren noch weitere schwere Unglücksfälle. In alten Online-Gästebüchern der Artistentruppe wird der Tod zweier Fahrer in den Jahren 2002 und 2006 beklagt. Auch Serif G. stürzte schon mehrmals ab. Einmal soll er danach neun Monate im Krankenhaus gelegen haben, davon 36 Tage im Koma. Ein anderes Mal kam er mit mehreren Brüchen und inneren Verletzungen für sechs Monate in stationäre Behandlung. „Ich bestehe zur Hälfte aus Metallplatten und Schrauben“, flachste der Bosnier einmal. „Langsam werde ich zu alt für diesen Job.“
Erst neulich hat der Stuntmen, der drei Kinder aus mehreren Ehen hinterlässt, sich wieder verliebt, eine neue Lebensgefährtin aus seiner Heimat mit nach Leipzig gebracht. Jetzt steht sein Wohnmobil verwaist auf dem Festplatz am Cottaweg. Das lebensgefährliche Spektakel der Steilwand-Artisten auf der Kleinmesse soll trotz der Tragödie fortgesetzt werden. Mehrtägige Engagements – die „Show der Sensationen“ ist vom 28. September bis 21. Oktober in Leipzig – sind eine stabile Einnahmequelle. Auf der Homepage der Vergnügungsbetriebe GmbH heißt es: „The Show must go on“.

Frank Döring / Dominic Welters / Robert Nößler      
© Archiv – Leipziger Volkszeitung

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